Unter den Steinen

Öffentliches Gedenken
Für Chor, Sprecher, Saxophonensemble, Violine, Akkordeon und Turmglocken. Uraufführung: 6. Juni 2007, Rathausplatz Köln (Eröffnungsveranstaltung des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags).

Herz des alten, jüdischen Kölns; regionale Schaltzentrale der Nazis; Schauplatz gegenwärtiger und künftiger Gedenkkultur: Viele Geschichten, viel Geschichte verbirgt sich unter den Steinen des Kölner Rathausplatzes. Das „Gedenken zu Beginn“ will Verschüttetes, Vergrabenes zu Tage fördern und der Frage nachgehen: Wie kann Andenken bewahrt werden, wenn Zeitzeugenschaft zunehmend zur Ausnahme wird und - was eben noch erschreckend nah war - zu einer von vielen Gesteinsschichten unserer Vergangenheit zu werden droht?

Der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag in Köln wurde mit einer Gedenkveranstaltung für die Kölner Opfer des Holocaust eröffnet. Bernhard König und Matthias Gräßlin konzipierten eine musikalisch und choreographisch inszenierte Lesung. Textgrundlage waren Zeitzeugenberichte Kölner Jüdinnen und Juden über die Zeit zwischen 1930 und 1950.

Mitwirkende

 

Alexandra Naumann und Erwin Aller, Gesang
Christoph König, Violine
Miroslaw Tybora, Akkordeon
Projektchor „Neue Töne Rhein-Sieg“ (Ltg.: Brigtte Rausche rund Bernhard König)
Saxophonensemble der Rheinischen Musikschule Köln (Ltg.: Thomas Gebhard)

Stefanie Theisinger, Produktionsassistenz
Bernhard König, Textbuch und Komposition
Matthias Gräßlin, Regie und Choreographie

Konzeption Gesamtveranstaltung:
Anne Gidion, Günther Bernd Ginzel, Bernhard König, Dr. Ellen Ueberschär

Elisabeth von Alvensleben, Organisation DEKT
Martina Gerhardt Organisation, Rathaus

Pressestimmen

Das Herz des jüdischen Lebens in Köln hat viele Jahrhunderte lang am Rathausplatz geschlagen. (...) Hörbar und begreifbar werden die Botschaften „unter den Steinen" beim „Gedenken zu Beginn“, mit dem der Kirchentag traditionell die Erinnerung an Verfolgte und Opfer des Naziregimes pflegt. (...) Der Musiker Bernhard König mit vielen Teilnehmern des Projekts „Neue Musik“ und der Publizist Günther Bernd Ginzel haben Menschen unterschiedlicher Herkunft ermuntert, an der Spurensuche teilzunehmen (...). Erinnerungen von Zeitzeugen werden vorgelesen, musikalisch oder szenisch dargestellt. Mundharmonikaspiel, das eine aus Köln geflohene Jüdin noch als alte Frau in Israel an ihre Kinderzeit erinnert hat, oder Karnevalslieder, die Verfolgte und Vertriebene immer mit schönen Erlebnissen in Köln verbunden haben, mischen sich in die Schilderung der Vernichtung. Dazu klingen die Glocken des Ratsturmes, aus den Fenstern erschallen Saxophontöne. (...) Geistig behinderte Mitglieder des Ensembles Maul&Trommel fassen das Unsagbare in Töne.

(Kölner Stadt-Anzeiger, 5. Juni 2007)

 

Vom Turm ertönt ein Glockenspiel, dazwischen mischt sich leiser A-capppella-Gesang, der das Karnevalslied „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien...“ anstimmt. Dann wird der Freudengesang von einem Chor überlappt, dessen bedrückender Tonfall bald den ganze Platz erfüllt: „Blumenthalstr. 15, Aachener Str. 25, Am Weidenbach 4.“ – Adressen verfolgter, geflüchteter und ermordeter Juden, an deren ehemaliges Zuhause nur noch ein paar Steine erinnern. (...) Der Musiker Bernhard König und der Publizist Günther Bernd Ginzel haben für die traditionelle Kirchentags-Auftaktveranstaltung „Gedenken zu Beginn“ auf dem Kölner Rathausplatz Erinnerungen von Zeitzeugen der Nazizeit gesammelt und ihnen eine symbolische Form des Gedenkens gegeben. (...) Die bewegenden, lustigen, ermunternden und tieftraurigen Berichte der Verfolgung und Vernichtung der Juden zur Nazizeit sollen dadurch greifbarer – und damit vielleicht begreifbarer – werden. (...) Texte von Zeitzeugen beschreiben, wie sehr die verfolgten Juden den rheinischen Frohsinn geliebt haben. „Mein Vater war ein echter Kölscher, ging zu den Gürzenichkonzerten, liebte den Karneval“ heißt es beispielsweise. Oder es wird von einer Zeitzeugin beirchtet, die Jahrzehnte nach ihrer Auswanderung nach Israel plötzlich die Arme hebt und singt:; „Kölsche Mädchen könne bütze“. (...) Die rund 200 Kirchentagsbesucher, die die anderhalbstündige Inszenierung aus Respekt vor den Ermordeten im Stehen erleben, sind von der sinnlichen Veranstaltung aus Wort, Gestik und Ton sehr berührt, das sieht man ihren Gesichtern an.

(Kölner Stadt-Anzeiger, 7./8. Juni 2007)