Lehrerinnen und Lehrer

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Lilo Wagner

Klavierunterricht von 1972-1997

Was man lernt und wie man es lernt: Als Kind nimmt man es in der Regel als Selbstverständlichkeit hin; Vergleichsmaßstäbe bilden sich erst viele Jahre später. So wurde mir erst als Erwachsener das Privileg bewusst, von klein auf eine individuelle musikalische Förderung genossen zu haben. Im Lauf der Jahre bin ich vielen musikalisch Begabten und vielleicht Begabteren begegnet, die dieses Privileg nicht hatten – und vielen anderen, die es zwar hatten, deren musikalische Ausbildung aber einseitig oder lückenhaft blieb: Dass, wer seit Jahren ein Instrument lernt, auch Noten lesen kann, ist zum Beispiel längst keine Selbstverständlichkeit mehr.
Lilo Wagners Klavierunterricht, durch meine musikliebenden Eltern nicht nur finanziert, sondern auch tatkräftig flankiert, unterstützt und „mitgelebt“, war in jeder Hinsicht „genau richtig“: Bodenständig und seriös, gleichzeitig spielerisch und altersgerecht. Das Notenlesen lernte ich bei ihr bereits in den ersten Wochen und auch später umfasste ihr Untericht neben dem reinen Klavierspiel stets auch eine Grundausbildung in Harmonielehre und Gehörbildung.
Der vielleicht größte Dienst, den eine Lehrerin an ihrem Schüler tun kann: Just in dem Moment, wo ich Chopin, Beethoven, Mozart zu spielen und der Unterricht (so vermute ich jedenfalls) auch der Lehrerin „Spaß zu machen begann“, schickte sie mich fort. Gegen meinen erklärten Willen. Und ohne, dass irgendein äußerer Anlass oder gar Konflikt dies nahegelegt hätte. Nun, so beschied sie, sei es einfach Zeit für einen anderen Lehrer.

 

 

 

 

Wolfgang Wagenhäuser

Klavierunterricht von 1979-1985.

www.wolfgang-wagenhaeuser.de

2003 gab die Musikwissenschaftlerin Marion Saxer ein Büchlein mit dem Titel „Anfänge“ heraus. 45 zeitgenössische Komponistinnen und Komponisten beschreiben darin ihren ersten Instrumentalunterricht; Saxer selbst geht als Herausgeberin der Frage nach, ob und wie dieser Unterricht die spätere Berufswahl geprägt hat.
Ein einziger Lehrer taucht in diesem Band in gleich zwei Berichten auf: Wolfgang Wagenhäuser, Klavierlehrer am Frankfurter Konservatorium, wird nicht nur von mir, sondern auch von meinem Kollegen Moritz Eggert als prägende Lehrerpersönlichkeit genannt.
Gewiss kein Zufall: Wagenhäuser komponierte selbst (ohne dies gegenüber seinen Schülern zu thematisieren oder ihnen gar seine Stücke aufzuzwingen). Er lehrte stets an erster Stelle das Aushorchen von Klängen, das Gewichten von Linien, den Atem der Musik. Und er hatte einen feinen Riecher für die Eigenheiten seiner Schüler (anders wäre es kaum möglich gewesen, dem braven Bürgerssöhnchen Bernhard ebenso gerecht zu werden wie dem Bad Boy Moritz...).

Eine besondere Mentorin

Hinzu kam seine enge Zusammenarbeit mit Rose Hoff, einer damals schon über 80jährigen, umtriebigen Mentorin und Veranstalterin von Nachwuchskonzerten. Sie sorgte nicht nur dafür, dass das, was wir im Klavierunterricht lernten, reiche praktische Anwendung fand. Indem sie uns regelmäßig in Krankenhäusern, im jüdischen Altenheim oder in einer psychiatrischen Klinik spielen ließ, gab sie uns als angehenden Musikern zugleich auch ein Sinnangebot jenseits des olympischen „schneller, höher, ausdrucksstärker“ mit auf den Weg.
Ohne diese Einbindung ins „System Hoff“ wäre ein noch so guter Klavierunterricht vielleicht nur halb so wirkungsvoll gewesen. Meinen Beitrag zu Marion Saxers Sammelband von 2003 habe ich deshalb dieser unvergesslichen Mentorin gewidmet:

Das Fräulein Hoff – Hommage an eine Unermüdliche.

 

 

 

 

Claus Kühnl

Kompositionsunterricht von 1987-88.

www.claus-kuehnl.de

Das Komponieren begann ich mit etwa 16, 17 Jahren als Autodidakt: Ich besorgte mir Aufnahmen und Partituren einschlägiger Orchesterwerke von Edward Grieg bis Strawinsky, studierte sie eifrig und fabrizierte anschließend eine Filmmusik zu einem eigenen Super-8-Film: Musik, die in weiten Abschnitten verdächtig nach Grieg und Strawinsky klang und die ich mit einem zusammentelefonierten Orchester aus Mitschülern und befreundeten Musikstudenten einspielte.
Vereinzelte Begegnungen mit Kompositionslehrern, denen ich diese Partitur zeigte und bei denen ich eine erste Probestunde nahm, schreckten mich eher ab. Meine eigene spätpubertäre Überheblichkeit ließ mich ihre Kommentare und Arbeitsempfehlungen als dogmatisch und einengend empfinden: Für meinen Geschmack zeigten sie viel zu wenig Interesse und Wertschätzung für das, was ich bereits zuwege gebracht hatte und wollten mir – so mein Eindruck – eine Ästhetik überstülpen, zu der ich keinen Zugang fand.
Claus Kühnl war anders. Die Hybris des autodidaktischen Jungkomponisten lief bei ihm ins Leere, denn er nahm meine bereits vorliegenden Partituren so ernst, wie sie noch niemand zuvor ernst genommen hatte. Hörte sie als das, was sie waren und kritisierte sie von innen heraus, ihren eigenen Anspruch zum Maßstab machend. Meine Unterrichtszeit bei ihm war kurz, aber wegweisend. Eine Übergangszeit, die mich entschieden darin bestärkte, Komponist zu werden, dabei auf einen eigenen Weg zu vertrauen und dennoch die Autorität eines Lehrers zu akzeptieren.
Kühnls letzte Amtshandlung als Lehrer: Er empfahl mir dringend, die Aufnahmeprüfung für Mauricio Kagels Kölner Kompositionsklasse zu versuchen, obwohl er selbst Kagel ganz gewiss nicht zu seinen Lieblingskomponisten zählte: Als erklärter Klang-Erotiker und spiritueller Wahrheitssucher stand Kühnl der kritisch-sarkastischen Grundhaltung und intellektuellen Schärfe Kagels eher distanziert gegenüber. Für mich aber empfand er diesen Lehrer als genau den Richtigen.

 

 

 

 

Mauricio Kagel

Kompositionsstudium von 1988-1995

www.mauricio-kagel.com

Die Zeit meines aktiven Studiums bei Mauricio Kagel währte von 1988 bis 1995. Die Auseinandersetzung mit seinem Werk und das „Abarbeiten“ der vielen Impulse, die ich ihm verdanke dauert bis heute ungebrochen an.

2002 habe ich in einem kleinen Aufsatz mein Verhältnis zu ihm als Lehrer zu beschreiben versucht:

Wohlen Mutes dank Kagel

 

 

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