Beitrag zum Sammelband „Singen im Gottesdienst. Ergebnisse und Deutungen einer empirischen Untersuchung in evangelischen Gemeinden", herausgegeben von Klaus Danzeglocke, Andreas Heye, Stephan A. Reinke, Harald Schroeter-Wittke im Auftrag der Liturgischen Konferenz. Gütersloh, 2011
Leseprobe:
(...) Gemeindegesang kann und könnte heute viele Funktionen erfüllen. Funktionen, die es zu Martin Luthers Zeiten schlichtweg nicht gab – oder für die, wenn es sie denn gegeben hätte, im musikalisch-theologischen Weltbild der damaligen Zeit kein Raum gewesen wäre. Je nach Zusammensetzung der Gemeinden kann Kirche ein Ort sein, an dem sich Menschen unterschiedlicher Generationen, unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Herkunft, unterschiedlicher Grade von Religiosität und Frömmigkeit begegnen. Je nach theologischer Themensetzung kann Kirche ein Ort sein, an dem es ums Zweifeln und ums Fragen, um den intellektuellen Diskurs und um das körperliche Erlebnis, ums konzentrierte In-sich-Gehen des Einzelnen und um die Vielstimmigkeit und Diversität einer Gruppe geht. In vielen solcher Kontexte könnte Musik sehr viel differenziertere, passgenauere Funktionen erfüllen, als sie es im herkömmlichen Gemeindegesang üblicherweise zu tun pflegt. Es bedarf dafür nicht zwangsläufig neuer Lieder – wohl aber mitunter eines neuen Umgangs mit tradiertem Liedgut. (...)