Hörbar verstummen am Rand des Terrors. Die Neue Musik und der 11. September

 


Leseprobe:

Eine Marginalie. Da meldet sich, zwischen all den Terrorismusexperten, Baustatikern, Psychoanalytikern, Ökonomen, Brigadegenerälen, Islamwissenschaftlern, Medienbeobachtern, Politikern und schlicht Betroffenen, deren Kommentare und Prognosen derzeit gefragt sind, auch einer zu Wort, dessen Branche nicht eben oft konsultiert wird, wenn es um relevante Einschätzungen des politischen Weltgeschehen geht: Ein Komponist. Und setzt sich prompt in die Nesseln. So sehr, dass vier Konzerte abgesagt werden, seine Heimatgemeinde die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde erwägt und die Feuilletons ihm landauf, landab teils betroffene, teils süffisante Randglossen widmen. Das Attentat auf das World Trade Center, so schwadronierte Karl-Heinz Stockhausen jüngst im Rahmen einer Pressekonferenz des Hamburger Musikfestes, sei das „größte Kunstwerk, das es überhaupt gibt für den ganzen Kosmos“, etwas „was wir in der Musik nicht träumen könnten, dass Leute zehn Jahre üben wie verrückt, total fanatisch für ein Konzert und dann sterben“.

Eine Marginalie, angesichts der persönlichen und familiären Schicksale, der unabsehbaren politischen und humanitären Folgen, die mit diesem Ereignis verknüpft sind. Hier hat sich, so scheint’s, einer gründlich in Misskredit gebracht, die eigene Weltfremdheit und Egomanie entlarvt, und ansonsten sollte man die ganze Sache nicht so übermäßig ernst nehmen. Man könnte also, anders als bei all den anderen Nachrichten, die derzeit auf uns einstürmen, wenigstens bei dieser einen getrost mit den Achseln zucken und zur Tagesordnung übergehen. Es sei denn, jene Musik, deren prominentester Vertreter Karlheinz Stockhausen hierzulande nach wie vor ist, bedeutet einem etwas.
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