Telewischen (1996-98)

Drehbuchauftrag des ZDF: Ein gescheitertes Großprojekt.

Drehbuchauftrag des ZDF (Redaktion „Das Kleine Fernsehspiel“)

„Telewischen“ ist das bislang bei weitem größte, umfangreichste und ambitionierteste unter meinen gescheiterten Projekten. Die Arbeit am Drehbuch zog sich über nahezu drei Jahre hin. Am Ende stand, nach sechs Drehbuchfassungen, monatelanger Produzentensuche und einem verpatzten Probedreh, die endgültige Absage: „Telewischen“, mein Fernsehspiel-Debüt, existiert bis zum heutigen Tag nur auf dem Papier.

Zur Vorgeschichte

In jüngeren Jahren waren Film und Musik für mich gleichberechtigte und mit gleicher Intensität vorangetriebene Ausdrucksformen. Zum Kompositionsstudium bei Mauricio Kagel hatte es mich unter anderem auch deswegen hingezogen, weil mir bei ihm – dem zur damaligen Zeit einzigen Filmemacher unter den Komponisten – ein Weiterentwickeln beider Interessensschwerpunkte möglich schien.
Tatsächlich gelang es mir während meines Studiums, die Filmerei weiter „am Köcheln“ zu halten: Neben der Musikhochschule wurde das Kölner Filmhaus zu meiner zweiten Heimat, hier drehte ich ein längeres Video und einen 16mm-Film, konzipierte zwei Stummfilmprogramme, entwickelte kleine Soundtracks für Kurzfilme anderer Autoren.
Dennoch stand die Musik im Vordergrund. Umso mehr war für mich nach Abschluss des Studiums klar: Jetzt ist der Film an der Reihe. Nachdem mein Exposé „Telewischen“ vom ZDF angenommen worden war und ich einen offiziellen Drehbuchauftrag der Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“ erhalten hatte, setzte ich zwei Jahre lang alles auf diese Karte. Die Redaktion hatte mir einen Jung-Redakteur zur Seite gestellt, der nicht minder ambitioniert und ehrgeizig war, als ich selbst. Im Verlauf unseres überaus kreativen Dialogs schaukelten wir das Drehbuch gemeinsam zu einem Grad an dramaturigscher Komplexität hoch, der jeden Robert-Altman-Film in den Schatten stellte.
Irgendwann hatte das Projekt gänzlich unrealisiertbare Ausmaße angenommen. Mehrere Produzenten prüften das Vorhaben und lehnten es ab. Als sich dann zu guter Letzt auch die ZDF-Redaktion zurückzog, war das Scheitern komplett. Eine traumatische Erfahrung: Drei Jahre nach Ende meiner vielversprechenden und glücklichen Studienzeit saß ich als verkrachter Möchtegern-Filmemacher und nebenamtlicher Dorfkirchenmusiker in einem kleinen Kölner Vorort – ohne Aufträge, ohne vorzeigbare neuere Arbeiten, ohne berufliche Perspektive.

 

Projektbeschreibung „Telewischen“

„TELEWISCHEN“ ist ein Episodenfilm, der ausschließlich Menschen beim Fernsehen bzw. vor dem Fernseher zeigt.
Das Geschehen spielt sich in verschiedenen Wohn-, Schlaf oder Esszimmern ab, deren Bewohner und Bewohnerinnen vor dem laufenden Bildschirm den verschiedensten Tätigkeiten nachgehen: da wird gegessen und getrunken, gestrickt und Computer getippt, telefoniert und onaniert, gestritten und geliebt, das laufende Programm wird kommentiert oder völlig ignoriert.
Alle Akteure werden gewissermaßen aus der Sicht ihres Fernsehgerätes gezeigt: der Fernseher wird zur subjektiven Kamera, das Programm hingegen bleibt reine Imagination, weil es stets nur zu hören, aber nie zu sehen ist. Der Ton der unsichtbaren Sendungen besteht durchweg aus neuproduzierten „Fantasie-Soundtracks“ der verschiedensten Genres. Dabei wird grundsätzlich vermieden, auf „echte“ Fernsehfiguren, Moderatoren, Markenprodukte oder Nachrichten Bezug zu nehmen. „TELEWISCHEN“ besitzt seinen eigenen abgeschlossenen Kosmos von Serienhelden, Politikerinnen und Unterhaltungsstars.
Der formale Aufbau von „TELEWISCHEN“ entspricht keiner geradlinigen klassischen Erzähldramaturgie, sondern leitet sich von der alltäglichen Rezeptionsform des „Zappens“ her: die Handlung bewegt sich sprunghaft zwischen verschiedenen, simultan ablaufenden Erzählsträngen, die meist nur bruchstückhaft zu verfolgen sind. Von Zeit zu Zeit verweilt das Geschehen in einem ruhigeren Abschnitt bei einer Person oder Situation und weitet sich zu einer längeren Episode aus, die mal skurrile, mal tragikomische Züge haben kann.

Exemplarische Episoden

(1) Der neue Fernseher

Als Rahmenhandlung von „TELEWISCHEN“ beginnt diese Episode bereits mit dem Vorspann: Während in heller Schrift auf schwarzem Hintergrund die Titel ablaufen, hört man aus unmittelbarer Nähe die Geräusche, die beim Anliefern eines Fernsehgerätes entstehen: das Brummen des Automotors im Inneren eines Lieferwagens, das Öffnen der Verladetür, den Transport einer Kiste durch ein Treppenhaus, den begeisterten Empfang durch eine Horde von Kindern. Die Kiste wird geöffnet und in diesem Moment dringt erstmals Licht an die Kamera, die sich - gewissermaßen in der Rolle des neuen Fernsehers - im Inneren der Kiste befindet, neugierig beäugt von mehreren Kindern. Der Fernseher wird ausgepackt und aufgestellt, der Bildschirm (bzw. ein Glasvorsatz des Kameraobjektivs) wird abgewischt, das Gerät wird eingeschaltet und sofort wird mit der Fernbedienung die Palette der Programme durchprobiert - der fragmentarische Aufbau von „TELEWISCHEN“ nimmt seinen Gang.

(2) Der Anruf

Eine alleinstehende Dame mittleren Alters (D) verfolgt mit Hingabe eine seichte Quizsendung und nimmt vor allem an jeder Äußerung des showmasters (S) regen Anteil. Allmählich steuert die Sendung auf einen ihrer Höhepunkte zu, der darin besteht, dass der showmaster per Zufallsoperation eine Telefonnummer bestimmt, diese Nummer live während der Sendung anwählt und den oder die glückliche(n) Empfänger(in) des Anrufes in die nächste Sendung einlädt.
D verfolgt amüsiert das entsprechende Ritual, erstarrt dann aber zusehends, als S beginnt, die Ziffern der Telefonnummer vorzulesen. Einen kurzen Moment später klingelt bei ihr das Telefon. Sie starrt - leichenblass - den Apparat an, bleibt bewegungslos sitzen, gibt sich nach mehrmaligem Klingeln schließlich einen Ruck, richtet ihre Frisur und greift zum Hörer.
Sie hört nur noch das knackende Geräusch des Auflegens und im Fernseher verkündet S, da sei wohl niemand zu Hause gewesen und man müsse es noch einmal unter einer anderen Nummer versuchen.
Eine kleine Ewigkeit lang blickt D fassungslos und wie versteinert auf den Bildschirm. Schließlich bricht sie in einen Weinkrampf aus, derweil die Sendung munter weitergeht.

(3) Die Besucherin

Ein etwa 25jähriger auffallend attraktiver Mann sitzt vor dem Fernseher, es klingelt an seiner Wohnungstür, er öffnet und lässt eine etwa gleichaltrige, auffallend attraktive Frau hinein, die ihm offenbar unbekannt ist und sich sogleich bei ihm entschuldigt: sie habe die Mitbewohnerin seiner Wohngemeinschaft zu gemeinsamen Unternehmungen abholen wollen, diese sei wohl noch nicht da, müsse aber jeden Moment eintreffen, ob sie so lange warten dürfe.
Die beiden setzen sich vor den Fernseher, ein unbeholfener Austausch von Floskeln verebbt sehr schnell und beide wenden ihre Aufmerksamkeit dem Programm zu. Nach kurzer Zeit beginnt ein melodramatischer Spielfilm, der sich von zufälliger Begegnung über romantische Liebe und verzehrende Sehnsucht bis zu sexueller Ekstase steigert. Beide sind, nebeneinander auf dem Sofa sitzend, spürbar bemüht, den Blick nicht vom Fernseher abzuwenden und jedes Gespräch zu vermeiden.
Zu weit fortgeschrittener Stunde - der Spielfilm ist soeben beendet - steht die junge Frau auf, entschuldigt sich nochmals, ihre Bekannte habe die Verabredung wohl vergessen, nimmt ihren Mantel und geht.

(4) Der Sendeausfall

Zu guter Letzt verknüpfen sich die verschiedenen Episoden, Motive und Handlungsfäden von „TELEWISCHEN“ zu einem gemeinsamen Höhepunkt: Ein totaler, flächendeckender Sendeausfall unterbricht sämtliche Programme, wirkt sich auf die Konsumenten der nächtlichen Sexfilme wie ein kollektiver Koitus interruptus aus, auf alle anderen wie ein lähmender Schock.
Nach anfänglichen Reparaturversuchen und hilflos-aggressiven Attacken gegen die stummen Apparate beginnt das gewohnte Leben sich plötzlich umzukehren: Wo bis dahin ein trostlos verkümmerter Zustand herrschte, klingeln nun Telefone, eskalieren Depressionen und ausgelassene Albernheiten, Autoaggressionen und erotische Freuden, wütende Auseinandersetzungen und spontane Festgelage. Wo bisher das Programm begeistert kommentiert wurde und Anlass zu lebhaften Familiengesprächen bot, sitzen nun plötzlich verlegene Gestalten missmutig schweigend nebeneinander.
Der „neue Fernseher“ der im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Rahmenepisode wird Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen um die Verantwortlichkeit für den vermeintlichen Fehlkauf, schließlich packt der Familienvater in einem Anfall von Jähzorn das Gerät (sprich: die „subjektive Kamera“) und wirft es (bzw. sie) aus dem Wohnzimmerfenster des vierten Stockwerkes. Fernseher (und Kamera) bleiben auf der Straße liegen, wo ein Zustand herrscht, der einer Mischung aus Volksfest und Straßenschlacht gleicht: spontane Verschwisterungen und Prügeleien, Straßenmusik und Randale mischen sich zu einer surrealen Szene entfesselten nächtlichen Lebens.
Nach einer Weile sieht man aus dieser Straßenperspektive, wie hinter den Vorhängen der umliegenden Häuser ein bläuliches Licht hervorschimmert. Die Straße leert sich spürbar und bald ist beinahe wieder Ruhe eingekehrt - unterbrochen nur durch einige unbeirrt weiterfeiernde Grüppchen und durch die vertrauten Stimmen von Showmastern und Moderatorinnen, die von den Häuserfronten auf die Straße hinabschallen.

Zum formalen Aufbau

Mit dem Ende der Eröffnungsszene („Der neue Fernseher“) beginnt ein längerer Abschnitt, der in schneller rhythmischer Folge eine Vielzahl von anonymen „Fernsehzuschauern“ präsentiert. Jede Person ist in einer kurzen, spotartigen Einstellung nur so lange zu sehen, bis sie mit der Fernbedienung das imaginäre Programm wechselt. Die einzelnen Motive sind teilweise so angeordnet, dass zusammenhängende Sequenzen entstehen, in denen ein leitmotivartiges Thema (z.B. Kinder beim Fernsehen) in rascher Abfolge variiert wird (z.B. durch kleine nervöse „Ticks“ - Augenzwinkern, Wippen und Grimassenschneiden - oder durch Unterschiede in Sitzhaltung und Spielzeugausstattung).
Mit der Zeit stellen sich déjà-vu-Effekte ein, einzelne Gesichter oder stereotype Verhaltensweisen werden vertrauter, man beginnt Zusammenhänge zu ahnen und sich aus Splittern Geschichten zusammenzureimen. Aus den wiederkehrenden Motiven kristallisieren sich Handlungsstränge und längere Episoden heraus, die freilich nicht in einem Zug erzählt werden, sondern ineinander verzahnt sind oder von anderen Szenen unterbrochen werden: Mal sind die Personen einer längeren Szene bereits durch kurze, beiläufige Antizipationen eingeführt, bevor die eigentliche story beginnt, mal taucht die Hauptfigur einer bereits abgeschlossenen Episode im weiteren Verlauf als „running gag“ wieder auf.
Insbesondere die Episode vom „neuen Fernseher“ zieht sich leitmotivartig durch das ganze Fernsehspiel. Eine allmählich eskalierende Auseinandersetzung um Fernbedienungen, Gebrauchsanleitungen, Programm und Lautstärke weitet sich zunehmend aus und wird zum willkommenen Anlass, verdeckt schwelende Familienkonflikte aufzurollen. Auch hier erlebt man das Geschehen nur ausschnittsweise und sprunghaft mit: Wo eben noch heftiger Streit herrschte, sitzt wenig später die ganze Familie einträchtig und schweigend nebeneinander und verfolgt gebannt das Programm.
Mitunter muss der Fortgang einer nur bruchstückhaft gezeigten Geschichte in der Phantasie des Zuschauers ergänzt werden. So zeigt beispielsweise eine Episode in abwechselnder Parallelmontage zwei Singles, die sich offenbar beide in gespannter Vorfreude befinden. Da wird liebevoll der Tisch gedeckt, ein Kondom verstaut, werden Kleidung und Make up überprüft und die Zähne geputzt. Der Ton des nebenbei laufenden Fernsehers wird zum Gesprächspartner eines spielerisch improvisierten Dialoges oder zur Begleitung einer übermütigen Tanzeinlage, bis beide ihre Fernsehgeräte schließlich ausschalten. Die „echten“ Fernsehzuschauer verlieren auf diese Weise die beiden Figuren aus den Augen, sind vom weiteren Geschehen ausgeschlossen. Erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt des Fernsehspiels schalten beide ihre jeweiligen Fernsehgeräte wieder ein. Verweintes Make up, die Reste eines begonnenen Diners und sichtbar frustrierte Gesichter lassen ahnen, dass das zwischenzeitliche Rendezvous wohl missglückte.
Von Zeit zu Zeit kommt die Handlung der verschiedenen Erzählstränge zum Stillstand und wird durch rhythmische Sequenzen unterbrochen, die das Anfangsmotiv eines beziehungslosen anonymen Nebeneinanders wieder aufgreifen und, wie schon zu Beginn, unvermittelt und in schneller Abfolge neue, unbekannte Figuren einführen. In diesen Abschnitten tritt stets die Musik des imaginären Fernsehprogrammes als tragendes Element in den Vordergrund, schafft atmosphärischen Zusammenhalt und rhythmische Spannung und lässt das Fernsehspiel für kurze Momente zum Videoclip werden. Dabei steht das akustische Geschehen häufig in ironischem Widerspruch zum Bildinhalt: Träge und behäbig in ihren Sesseln hängende Zuschauer werden konfrontiert mit einer akustischen Verfolgungsjagd aus hämmernder Musik, rennenden, fallenden, stürzenden und schießenden Menschen, rasenden, bremsenden und kollidierenden Autos. Die überschäumende Fröhlichkeit einer geselligen Volksmusiksendung wird zur Begleitmusik einsamer Altersheimbewohnerinnen, die etwas verloren auf ihren Sofas sitzen.
Innerhalb der verschlungenen Dramaturgie von TELEWISCHEN bieten verschiedene Anspielungen und Querbezüge immer wieder Orientierungspunkte und sorgen dafür, dass die einzelnen Episoden nicht isoliert nebeneinander stehen. Eine wichtige Rolle spielt auch hier der Off-Ton aus den laufenden Fernsehern. Manche „Sendungen“ kehren in unterschiedlichen Szenen wieder, mal hat sich ihre „Handlung“ inzwischen weiterentwickelt, mal werden einfache Muster stereotyp wiederholt.
Auch auf der Bildebene gibt es Verknüpfungen zwischen verschiedenen Episoden. So unterscheidet sich beispielsweise die Figur des Voyeurs von allen anderen Personen des Fernsehspiels dadurch, dass sie mehrfach den Ort wechselt und sich als geheimer Gast in verschiedene Szenen einschleicht. In unregelmäßigen Abständen taucht der Voyeur im Hintergrund eines Raumes draußen am Fenster auf, versucht, das Geschehen im jeweiligen Zimmer auszukundschaften und wendet sich enttäuscht ab, sobald ihm klar wird, dass auch hier nichts passiert - außer: Fernsehen.

Zum Verhältnis von Bild und Ton

Im Off-Ton von „TELEWISCHEN“ werden die Filmmusiken, Klänge und Dialoge frei erfundener Familienserien, Game-shows, Werbespots, Nachrichtensendungen, Krimis oder Spielfilme zu einer eigenständigen Komposition collagiert, die auf vielfache Weise mit den Dialogen und Handlungen der Darsteller verknüpft ist.
So schildert beispielsweise eine längere Episode das Telefonat einer alleinstehenden Frau mit ihrer Freundin. Während sie von Jobsuche, verflossenen Liebschaften und ihrer Katze erzählt, hantiert sie gleichzeitig spielerisch mit der Fernbedienung und tritt so in einen „heimlichen Dialog“ mit dem Fernsehton, der ihre Alltagsgeschichten ironisch ergänzt, kommentiert oder durch musikalische Untermalung dramatisiert.
Die suggestive Komponente von Filmmusik wird in diesem Spiel mit Hör- und Seherwartungen nicht vernachlässigt: Durch entsprechende akustische Untermalung verwandelt sich das Öffnen einer Chipstüte in einen grausamen Mord, der Verzehr einer Rindswurst in eine erotische Pikanterie und die wie auf Befehl lachende Familie in eine Ansammlung von Trickfilmmännchen und Slapstickhelden.
Die unterschwellige Wirkung von Filmmusik wird so einerseits ironisch entlarvt, trägt aber andererseits mit dazu bei, die Tristesse und Heiterkeit eines gewöhnlichen Fernsehabends mit all seinen Banalitäten und Intimitäten in märchenhafte, groteske, melancholische oder dramatische Fiktion zu verwandeln. Auf diese Weise wird auch auf der Tonebene - wie im gesamten Fernsehspiel - Fernsehen reflektiert und geschieht dies auch hier in einer dem Medium angemessenen Art: unterhaltsam.

Beispiel aus dem Drehbuch

Das Wohnzimmer der WERNERS. Später Abend. Die WERNERS vor dem Fernseher.

REGINE: Ewald, du bist immer so schweigsam.
EWALD: Was?
REGINE: Gefällt dir die Sendung nicht?
EWALD: Doch, schon. Natürlich.
REGINE: Weißt du, manchmal denke ich, wir müssten vielleicht mal darüber reden auch, was überhaupt unsere Interessen sind.
EWALD: Mmh.

REGINE: Das ist manchmal nur noch alles so nebeneinander her bei uns. Du kommst nach Hause, ich stell das Essen hin, dann den Fernseher an...Jeden Abend das gleiche.
EWALD: Tja. So gesehn.
REGINE: Jetzt sag du doch mal, was du gerne machen würdest. Wenn du jetzt allein wärst, du würdest doch bestimmt nicht diesen Tierfilm hier gucken, oder?
EWALD: Naja...

REGINE: So, komm, dann lass uns doch jetzt mal was aussuchen, was dir auch gefällt, was uns beiden gefällt. So, was haben wir denn... (blättert in einer Fernsehillustrierten, murmelt undeutlich vor sich hin): Kriegsserie, Musik-Clip, was ist hier?, „Willkommen im Bierzelt“ (wieder laut, sehr vergnügt): Hier, so, jetzt hab ich aber was, na Ewald, wenn das nichts ist für dich, pass mal auf: „Black Ladies - Ekstase ohne Grenzen“, amerikanischer Erotiktriller, na?!, sowas gefällt dir doch, so, jetzt mal, Kanal E-pur, kriegen wir den denn überhaupt?
EWALD: Mm-pffh (zuckt hilflos mit den Achseln)
REGINE: Wo ist denn der Zettel, hier, na bitte, Programm 20, so, das müsst’ es jetzt... (drückt auf die Fernbedienung)

Lustvolles, etwas künstliches Stöhnen aus dem Fernseher. REGINE betrachtet das Geschehen auf dem Bildschirm mit einer Mischung aus Befremdlichkeit, Belustigung und Neugierde. EWALD sitzt bleich und regungslos daneben und klammert sich an seine Bierflasche. Nach einer Weile lacht REGINE kurz auf.

REGINE: Jetzt guck dir das an. Das sind ja wirklich richtige Black Ladies. (längere Pause) Ganz schön gelenkig! (längere Pause) Na, die hat aber vielleicht paar Brüste, was?! (kleine Pause) Ist bestimmt nicht echt. Bestimmt Silikon drinne.