Erstes Kölner Staukonzert (1994)

Straßenmusik zur rush-hour

Eine Initiative von Kölner MusikerInnen in Zusammenarbeit mit dem Forum Kölner Verkehrsinitiativen.
Am 16. Juni 1994, von 16.30h bis 17.30h in der Kölner Innenstadt.
Koordination: Harald Muenz, Monika Sailer, Bernhard König. Idee: Bernhard König. Mitwirkende u.a.: Kölner Saxophon-Mafia, Cöllner Canzonisten, Klaus der Geiger, Die Klangräumer, Schäl Sick Pedals (u.v.a.)

Verkehrspolitische Straßenmusikaktion. Fast 200 Musiker waren an diesem einstündigen Simultankonzert in der Kölner Innenstadt beteiligt.

Erstes Kölner Staukonzert: Pressestimmen

Die Autofahrer, die gestern Nachmittag den Hansaring befuhren und and er Ecke Bremer Straße vor der roten Ampel standen, vernahmen plötzlich befremdliche, schrille Klänge. (...) Die Töne kamen nicht über den Äther, sondern waren live. Auch Radfahrer und Fußgänger blieben erstaunt stehen und lauschten den improvisierten Melodien, die Joachim Ulrich, Gerhard Feck und Ronny Kaiser von der „Kölner Saxophon Mafia“ ihren Instrumenten entlockten. Auf Flugblättern lasen Passanten: „Stellt euch vor, hier wäre ein Konzert und ihr könntet es hören.“ (...) „Mit dem Ersten Kölner Staukonzert wollen wir ein Zeichen setzen“, erklärt Bernhard König von der „Krahnenbaum Company Köln“, einem Zusammenschluss von Musikern, der mit dem Forum Kölner Verkehrsinitiativen das ungewöhnliche Konzert organisiert hatte. (...) Auf einsamem Postenstand Angelika Eling, die auf der Verkehrsinsel Tunisstraße Ecke Victoriastraße barocke Solostücke auf der Blockflöte spielte und eher wie eine Beschwörerin der wartenden Autoschlange wirkte. Sie wurde von den Autofahrern kaum beachtet. „Das gehört zu meiner Aussage“ meinte sie achselzuckend, „die leisen Töne verschwinden in dieser Welt.“

(Kölner Stadtanzeiger, 17.6.94)

Hektisch schaut die junge Autofahrerin auf ihre Uhr. Bei der nächsten Grünphase will sie die Kreuzung passieren. Doch da geschieht – mitten in der abendlichen „Rush hour“ von Köln – etwas Seltsames. Rikschas fahren auf die vielbefahrene Straße. Darin Menschen mit venezianischen Masken. Sie spielen Geige, Trompete und Gitarre. Auf der Verkehrsinsel spielt ein als Rattenfänger verkleideter junger Mann auf einer Flöte, ein anderer jongliert mit Rasseln. Wieder und wieder umkreisen die Musikanten mit ihren Rikschas die Insel. An der nächsten Ampel dringen Trompetenklänge an das Ohr der Autofahrerin. Jemand reicht ihr ein Flugblatt: „Stinken Sie immer so beim Musikhören?“ Wie Tausende Autofahrer war die junge Frau Zeugin des „Ersten Kölner Staukonzerts“. Mit der ungewöhnlichen Veranstaltung protestieren rund 200 Musiker aus Köln und Umgebung gegen den wachsenden Autoverkehr. „Wir möchten bewusst machen, dass unsere Städte Treffpunkt, Kulturzone und Konzertsaal sein könnten, wenn es die Diktatur des Autos nicht gäbe“, sagte Mitveranstalter Bernhard König. (...)

(Main-Post Würzburg, dpa, 18.6.94)

(Karrikatur: Kölner Stadtanzeiger)

Im Getöse der Rush Hour um 17.30 Uhr ging an der Inneren Kanalstraße die romantische Renaissance-Musik des Drehleierspielers unter. Sogar die Rhythmen des Schlagzeugers, der eine Beton-Mischmaschine als Instrument benutzte, verpufften gestern beim „Ersten Kölner Staukonzert“. Rund 200 Musiker beteiligten sich mit phantasievollen Auftritten an etwa 30 simultanen Aktionen, mit denen die Initiative gegen die Übermacht der Autos demonstrierte – von der einsamen Flötistin bis zur 40köpfigen Jazzkombo.

(Kölnische Rundschau, 17.6.94)

(...) Geplant sind beispielsweise um den Chlodwigplatz kreisende Rikschas, „Schiffsbrüchige“ auf Verkehrsinseln und MusikerInnen in klassischer Konzertkleidung, die sich während der Ampel-Rotphase auf der Straße aufbauen. Das partielle „Scheitern“ der Aktion ist dabei Teil der Planung.

(Stadtrevue, 6/94)

Erstes Kölner Staukonzert: Zur Idee

Musik spielt im Straßenverkehr eine wichtige Rolle: Als beruhigender Klangteppich aus dem Autoradio trägt sie mit zu der Illusion bei, Autofahren habe etwas mit Komfort und Lebensqualität zu tun.
Normalerweise herrscht im Straßenverkehr die ungerechte Situation, dass die Autofahrer in ihren Blechkabinen ungestört Musik hören können, während Fußgängerinnen und Radfahrer dem Autolärm ausgesetzt sind. Wir kehren diese Situation um: Radfahrerinnen und Fußgänger können stehen bleiben und uns zuhören, Autofahrerinnen sind dazu verurteilt, im Stau weiter zu schleichen und bestenfalls ein paar verlorene Töne aufzuschnappen.
Gäbe es ein Verursacherprinzip in Bezug auf akustische Umweltverschmutzung, dann dürfte im Radio auf den Verkehrs-Servicewellen statt Musik nur Motorengeräusch übertragen werden.
Die Sachargumente gegen das Autofahren sind hinlänglich bekannt. Wenn sie schon nichts mehr bewirken, dann hilft vielleicht nur noch eins: Den Autofahrerinnen und Autofahrern verstehen zu geben, dass sie ein Ärgernis darstellen.

Erstes Kölner Staukonzert: Die Flugblatt-Texte

Vorderseiten:

„Dürfen wir auch mal stören?“
„Machen Sie in der Philharmonie auch so einen Lärm?“
„Stinken Sie immer so beim Musikhören?“
„Können Sie uns hööööörn?“
„Wir brauchen unsere Ruhe – Brauchen Sie ihr Auto?“
„Stellt euch vor, hier wäre ein Konzert, und alle könnten es hören!“
„Wir würden Ihnen ja gerne etwas leiseres vorspielen...!“
„Schließen Sie einfach die Augen und lauschen Sie...“
„Musik stinkt nicht!“

Rückseite Autofahrer:

Liebe(r) Autofahrer(in)
Sie nehmen soeben aktiv am Ersten Kölner Staukonzert teil – ob wir wollen oder nicht.
Mit einer Lautstärke, bei der ein Blasorchester vor Neid erblassen würde.
Mit einem Energieaufwand, mit dem man ein großes Open-Air-Konzert bestreiten könnte.
Auf einer Bühne – eigens für Sie asphaltiert - , die bundesweit 17.360.000 Sinfonieorchestern Platz bieten würde.
Ehrlich gesagt: Uns wär’s lieber, Sie würden nicht auf diese Weise teilnehmen.

Rückseite Fußgänger: