Musikerinnen und Musiker: Ervin Aller, Karl-Heinz Brunkow, David Dombrowski, Björn Espe, Souad Saher, Galya Sebastian, Ralf Steffen, Bianca Ströter, Deborah Uhango. Organisation und Betreuung: Anne Geburtig. Musikalische Leitung: Bernhard König und Alexandra Naumann mit wechselnden Gast-Musikern.
Maul&Trommel ist in Köln und dem gesamten Rheinland das erste und bislang einzige Ensemble mit geistig behinderten Musikern, das sich der experimentellen Musik widmet. Das Ensemble wurde 2007 anlässlich des Evangelischen Kirchentags von dem Komponisten Bernhard König und der Sängerin Alexandra Naumann gegründet.
Rund 20 geistig behinderte Musikerinnen und Musiker trafen sich 2006/2007 über ein Dreivierteljahr hinweg regelmäßig mit Bernhard König und der Jazzsängerin, Performerin und Gesangsdozentin Alexandra Naumann. Schon damals wurde ein experimenteller Ansatz verfolgt, der sich nicht primär an sozialpädagogischen oder therapeutischen Fragestellungen sondern an einer explizit künstlerischen Zielsetzung orientierte: Musikalische Formen zu finden, die auf das besondere stimmliche und expressive Potential der geistig behinderten Akteure abgestimmt sind und dieses Potential nicht als Defizit verstehen, sondern – gerade da, wo es sperrig und ungewöhnlich ist – als Gewinn.
Im Rahmen des Evangelischen Kirchentags präsentierte sich das Ensemble Maul&Trommel erstmals in mehreren Auftritten der Öffentlichkeit. Die Bandbreite der musikalischen Formen reichte vom „Papphockertrommeln“ im musikalischen Dialog mit über tausend Besuchern einer Messehalle bis zum ergreifenden Trauergesang eines geistig behinderten Gesangssolisten im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Kölner Judenpogrome zur offiziellen Eröffnung des Kirchentags auf dem Kölner Rathausplatz.
Mit Ablauf des Kirchentags erschien der Fortbestand dieses Ensembles – immerhin das erste und einzige seiner Art für Köln und wohl auch für das gesamte Rheinland – zunächst als fraglich. Eine dauerhafte Finanzierung aus Mitteln der Diakonie war nicht möglich, eine künstlerische Weiterentwicklung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten schwierig.
Glücklicherweise konnte auch 2008 die Arbeit mit Maul&Trommel im Rahmen der konzertpädagogischen Kooperation plug-in von Büro für Konzertpädagogik und musikFabrik fortgesetzt werden. Zwei Solisten der musikFabrik – der Oboist Peter Veale und der Tubist, Komponist und Live-Elektroniker Melvyn Poore – ließen sich auf das Abenteuer einer künstlerischen Zusammenarbeit mit den Michaelshovener Musikerinnen und Musikern ein. Gemeinsam mit dem Gründungsduo Naumann und König entwickelten sie über mehrere Monate hinweg ein experimentelles Musikstück für Stimmen, Instrumentalklänge und Live-Elektronik entwickelt, das unter anderem im Großen Sendesaal des WDR-Funkhauses und, auf Einladung des Oberbürgermeisters, im Kölner Rathaus aufgeführt wurde.
Die überschwängliche Begrüßung dürfte manche Konzertbesucher in der Erzengel-Michael-Kirche verblüffen. Ervin erzählt aufgeregt, dass er gleich auftritt: "Bobobobomm - dann ich!" Er gehört zum Ensemble "Maul&Trommel" der Diakonie Michaelshoven. Manche der zehn Mitwirkenden warten still in der ersten Bank, andere machen gestenreich dem Lampenfieber Luft. (...) Erstaunlich, wie hellwach manche „Maul&Trommel“-Akteure mit der Oboe oder mit der Tuba duettieren, wie sensibel sie Lautstärken und Gangarten aufnehmen oder selbst steuern. Welches Handicap auch immer den Alltag der Mitspieler bestimmen mag, ihre Musik wirkt unverhofft vital.
(Marianne Kierspel in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 4. September 2008)
„musikFabrik trifft Maul&Trommel“ so der Titel eines famosen musikalischen Zusammenschlusses. Geistig Behinderte treffen Profimusiker und geben ein Konzert. Aber kein Konzert wie jedes Andere, nein ein Konzert das sich um die bekannte Melodie „My Bonnie ist over the ocean“ dreht und daraus einen exorbitant in vielen Ebenen aufgebauten collagierten modernen Klangkörper entwickelt. Dabei spielt die Empathie aller Musiker im Miteinander eine besondere Rolle, beide Seiten lassen sich zu 100 Prozent aufeinander und die Musik ein und schaffen die Form künstlerischer Spannung die das Normale vom Besonderen unterscheidbar macht. Das ist große Kunst. (...) Die Bühne wird eröffnet, Galia kommt auf die Bühne und singt ein rumänisches Straßenkinderlied das von Hoffnung spricht. Galia hat eine wunderbare Stimme und ihre Geschichte geht zu Herzen. Ihre Hoffnung ist es mit einer Familie zu leben. (...)„Hoffnung“ – der Titel der posthum uraufgeführten Komposition von Karlheinz Stockhausen stand Pate für die Themenwahl der gemeinsam Arbeit, schreiben die Veranstalter. Allerdings haben alle gemeinsam die Motive entwickelt, das Meer als Inbegriff der Sehnsucht, Königskinder und Reisende auf der Suche. (...)Auch David ist völlig begeistert bei der Sache, er spielt Percussions Instrumente und singt mit Begeisterung, reagiert auf ganz intensive und expressive Art auf Peter Veale´s Oboenspiel.
für die großartige Aufführung mit den erwachsenen Behinderten aus Michaelshoven möchte ich mich, auch im Namen vieler, mit denen ich in der Pause darüber sprach, herzlich bedanken und Ihnen allen gratulieren. Meine von kleinmütigem pädagogischen Wohlwollen geprägte Erwartungshaltung wich (beschämt!) ganz rasch uneingeschränkter Begeisterung für die künstlerisch gelungene Aufführung. (...) Unsere Herzen flogen den Künstlern zu! Für mich erweist sich die Zivilisiertheit einer Gesellschaft daran, ob sie es Ihnen ermöglicht, so wertvolle Arbeit zu leisten. Hoffentlich haben wir noch öfter Gelegenheit, uns über Produktionen mit Behinderten zu freuen.
D.F., Konzertbesucher:
"Meine Frau und ich waren vor dem Stockhausen-Konzert am 31. August im WDR
begeistert von dem Überraschungsauftritt Ihrer Gruppe. Sie haben uns mit
viel Elan, großer Präzision und scheinbarer Leichtigkeit eine Aufführung
geschenkt, die sich vor dem anschließenden großen Programm sehr gut hören
und sehen lassen konnte."
Alexandra Naumann (Sängerin, Büro für Konzertpädagogik):
"Wasser wird erst lebendig durch die Hindernisse, die es umfließt. Es ist faszinierend für mich, musikalische Strudel, Wendungen und Bewegungen zusammen mit diesen Menschen zu erforschen, für die der Umgang mit Hindernissen das Alltagsgeschäft ist."
Peter Veale (Oboist, Ensemble musikFabrik):
Es erstaunt mich immer wieder, welche Ausdruckskraft diese Menschen haben. Besonders faszinierend für mich als Musiker: Ihre spontanen Reaktionen auf Musik, bei denen sehr stark ihre eigenen Gefühle zum Ausdruck kommen.
Melvyn Poore (Tubist, Ensemble musikFabrik):
Durch Kunst kann man sich näher kommen – sich selbst, dem eigenen Unterbewussten, und anderen, denen man mithilfe von unalltäglichen Aktivitäten Gelegenheit gibt, sich auszudrücken und sich selbst anders zu entdecken. Diese kommunikative Kraft erlebe ich besonders stark in unserer Arbeit mit Bewohnern der Diakonie Michaelshoven.